So schön ist es im Bergischen Land

Wie in Düsseldorf das Recht zu Grabe geläutet wurde


Als der Narr des Herzogs Jan Wellem eines Tages durch das Bergische Land wanderte, traf er einen Bauern, der sehr betrübt zu sein schien. Der Narr, der traurige Gesichter gar nicht gerne sah, sprach den Bauern freundlich an: "Wohin des Weges?" "An den Bettelstab!" antwortete der Bauer. "Na, ein solcher Stab ist für ein solch stämmiges Mannsbild wie Dich wohl doch etwas schwach geraten" sprach der Narr. "Ob ich das will, danach wurde ich nicht gefragt, man hat mich von Rechts wegen dazu verurteilt," sagte der Bauer traurig. "Und denkt nun ja nicht, ich wäre ein Faulenzer oder ein Tagedieb. Ich bin ein fleißiger, rechtschaffener Bauer und wurde von meinem Nachbarn, einem raffgierigen Junker, um mein ganzes Hab und Gut betrogen.

Der Junker wollte meine besten Weiden für einen Bettel kaufen, um seine Pferde darauf grasen zu lassen. Ich wollte ihm mein Land nicht geben, und so hat er behauptet, ich wäre kein freier Bauer und es gehöre alles ihm. So hat er mich immer wieder verklagt, bis er all meine Felder und Weiden, meinen Hof, mein Vieh und selbst den gesamten Hausrat an sich gebracht hat. Die Obrigkeit hat ihm Recht gegeben, weil er sie mit Gold bestach und weil er einflußreich und beim Herzog angesehen ist, so daß sich die Richter einen Vorteil davon erhoffen. Und ich bin ja nur ein armer, einfacher Bauer. Wovon soll ich jetzt meine Familie ernähren? Sieh hier unter meinem Arm die Papiere, auf denen ist mein ganzer Besitz verbrieft und besiegelt. Aber was hilft es mir, die Gerichte werden mich ja doch nicht anhören!" Mit diesen Worten schleuderte der verzweifelte Bauer die Besitzurkunden auf den Boden.

Der Narr hob die Papiere auf und strich sie wieder glatt, setzte sich unter einen Baum und fing an, alles durchzulesen. Er schüttelte mit dem Kopf und sagte immer wieder: "Diese Schelme! Ei, diese Schelme!" Als er fertig war mit Lesen, sagte er zu dem Bauern: "Sei nicht mehr traurig und komm mit, mein Freund, ich habe einen Plan und  werde Dir helfen". Der Bauer bekam wieder Hoffnung und folgte dem Narren in die Stadt. Überall, wo eine Kirche war, machten die beiden Halt, um mit den Glöcknern über ihren Plan zu reden. Der Bauer kratzte sein letztes bißchen Geld zusammen und gab es ihnen, damit sie um die Mittagsstunde die Totenglocken läuten sollten. Danach begaben sich die beiden Verschwörer auf den Schloßhof und warteten.

Der Herzog setzte sich Mittags gemütlich an den Tisch, um sich an einem guten Braten zu laben, als plötzlich alle Glocken der Stadt das Totengeläute anstimmten. Er erschrak, setzte den Bierkrug ab, aus dem er eben trinken wollte, und schaute aus dem Fenster hinunter in den Hof. Er fragte seine Diener, was denn da für ein reicher und vornehmer Mann gestorben sei, daß ihm alle Kirchen die Totenklage anstimmten. Die Diener konnten ihm aber die Frage nicht beantworten.

Da trat der Narr unter das Fenster und rief: "Ei, Herr Herzog, das ist fürwahr eine traurige Totenklage, über die heute und in alle Ewigkeit Tränen vergossen werden soll. Deines Landes Stolz und Zierde ist nicht mehr, das gute Recht ist heute gestorben und liegt dort auf der Bahre. Wir tragen es eben zu Grabe!" Der Herzog wurde zornig und fuhr den Narren an: "Das wagst Du mir zu sagen, Narr?" Der Narr antwortete: "Gnädigster Herzog, die Narren müssen die Wahrheit sagen, wenn die Weisen sie aus Klugheit verschweigen."

Dann erzählte der Narr dem Herzog, wie die gekauften Richter dem armen Bauern seinen Besitz aberkannt und alles ohne rechtsgültige Beweise dem betrügerischen Junker zugesprochen hätten. Zum Beweis gab er dem Herzog die Urkunden. Dieser widerrief sofort den Urteilsspruch und jagte die Richter davon. Der Bauer bekam seinen ganzen Besitz zurück und zur Strafe für den Betrug mußte der Junker den Bauern reichlich entschädigen.

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